Quantcast
Channel: Handelsblog » Euro
Viewing all articles
Browse latest Browse all 10

Das deutsche Risiko

$
0
0

Deutschland, so scheint es immer noch, kann vor Kraft kaum laufen. Der deutsche Staat bekommt de facto Geld von den Investoren geschenkt, deutsche Konzerne leihen sich ihr Fremdkapital billiger als manche Staaten und drücken vor allem in Europa ihre Konkurrenten an die Wand. Alle Versuche angeschlagener Euro-Staaten, ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder zu erlangen, sind in Gefahr, unter der Übermacht der deutschen Wirtschaftskraft zu zerbröseln. Deutsche Ingenieure, so scheint es, sind unschlagbar, und deutsche Manager immerhin gut genug, die Technik ihrer Ingenieure weltweit zu verkaufen.

Lassen wir hier einmal moralische Frage bei Seite: Ob „die Deutschen“ durch ihre rücksichtslose Wettbewerbspolitik andere Ländern in den Abgrund drängen – oder einfach ein paar Fehler weniger gemacht haben als Spanier, Italiener und Franzosen. Stellen wir uns lieber die Frage: Wo liegen die Gefahren für unser Wirtschaftsmodell? Haben wir tatsächlich den Stein der Weisen gefunden und können geradlinig wirtschaften, während Amerikaner, Briten und Südeuropäer sich von clever erzeugten Blasen auf den Kapital- und Finanzmärkten ernähren, die unweigerlich immer wieder zerplatzen? Oder reiten wir am Ende, ohne es zu wissen, auch auf einer Blase?

Der amerikanische Ökonom William White hat im August in einem Papier, das sich mit den langfristigen Folgen ultraleichter Geldpolitik befasst, eine aufschlussreiche Nebenbemerkung zu Deutschland gemacht. Er zitiert den japanischen Notenbankgouverneur, der wiederholt gesagt hat, Japan habe sich seine Probleme eingehandelt, weil es nicht geschafft habe, seine Wirtschaft auf die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft und die wachsende Konkurrenz aus Schwellenländern auszurichten.

Klingelt da was? Auch wir haben eine rasch alternde Bevölkerung und spüren in einigen Bereichen, etwa der Solarindustrie, sehr empfindlich die Konkurrenz aus Fernost. White befürchtet auch, dass Deutschland nach der Finanzkrise mit der „Abwrackprämie“ im Grunde eine überholte Wirtschaftsstruktur subventioniert habe, die zu sehr auf den Export ausgerichtet und damit zu abhängig von wirtschaftlichen Ungleichgewichten sei, die sich zwangsläufig irgendwann ausgleichen müssten.

Hier klingt ein Thema an, dass Deutschland-Kritiker wie der Ökonom Heiner Flassbeck schon seit Jahren immer wieder ansprechen: Hohe Exportüberschüsse sind nicht ohne hohe Forderungen gegenüber dem Ausland zu haben – ob die sich nun in privaten Investments, Portfolien deutscher Landesbanken oder auf Saldierungskonten innerhalb des Notenbanksystems verstecken. Anschaulich gesprochen: Wenn VW jetzt auch noch in Italien Fiat verdrängt, wie will Deutschland dann jemals seine Forderungen gegenüber Italien einlösen? Solche Ungleichgewichte sind auf Dauer nicht haltbar, und das ist die Gefahr für das deutsche Wirtschaftsmodell. Auch die Abhängigkeit vieler Firmen von China als Wachstumstreiber könnte sich rächen. Denn in China herrscht eine staatliche gelenkte Marktwirtschaft, und das heißt: Fehlentwicklungen können lange verborgen bleiben, dafür aber um so länger andauern.

Viele deutsche Unternehmer sind sich dieser Gefahren bewusst und agieren vorsichtig. Es ist auch schwierig, von politischer Seite Einfluss darauf zu nehmen, was die Wirtschaft produziert und für wen. Aber eine Debatte darüber, ob wir tatsächlich die richtige Wirtschaft für eine alternde Gesellschaft in einem extrem unruhigen, von Krisen geplagten Umfeld haben, könnte nur nützen.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 10

Latest Images





Latest Images